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Hightech-Cluster

Science Area 30X und Wissenschaftspark Garbsen Foto: Dirk Laubner

HANNOVERS HIGHTECH-CLUSTER WÄCHST

Hannovers Hightech-Standort Marienwerder profitiert stark von der Nähe zwischen Wirtschaft und ­Wissenschaft. So erstaunt es nicht, dass in unmittel­barer Nähe ein zweiter Technologie-Cluster entsteht: der Technologiepark Garbsen.

„Wir haben eine starke Mischung von Firmengründungen, kleinen- und mittelständischen Firmen aus dem Forschungs-, Entwicklungs- und Technologiebereich hinbekommen“, ­resümiert Gabriele Zingsheim, Leiterin der Wirtschafts­förderung der Stadt Hannover. Doch der Blick auf die Karte der Science Area 30X in Hannover-Marienwerder, die bis vor kurzem noch Wissenschafts- und Technologiepark Hannover hieß, zeigt: Von 28 Hektar des Geländes sind nur noch zwei Hektar nicht verkauft oder verplant. Es wird eng werden für Unternehmen, die sich nicht in den (wachsenden) Technologiezentren, sondern auf eigener Fläche niederlassen wollen. Daher entsteht nur wenige hundert Meter entfernt in Garbsen schon bald ein zweiter Technologiepark, rund um die Maschinenbauinstitute der Universität.

Doch zunächst ein Blick zurück auf Marienwerder und dessen tur­bulente Anfänge. 1989 kaufte die Stadt das Gelände als potenzielle Gewerbefläche und ließ in einer aufwändigen Dekontamination giftige Rückstände der Batterieproduktion entfernen, die auf dem benach­barten früheren Werksgelände der AFA (später Varta, heute Clarios) entstanden – das Gelände selbst war nie Betriebsstandort gewesen.

Virtueller Blick in den Technopark „Marienvalley“ des US-Projekt­entwicklers Taurus Investment. Foto: RTW Architekten GmbH
Virtueller Blick in den Technopark „Marienvalley“ des US-Projekt­entwicklers Taurus Investment. Foto: RTW Architekten GmbH

Die Anfänge: Sican und LZH

„Hannover wollte Platz für Ausgründungen der Universität schaffen“, erklärt Zingsheim den Aufwand. Das Land Niedersachsen dachte noch größer, wollte eine Mikrochip-Fabrik errichten lassen. Doch das Projekt scheiterte und so entstand das heute private Technologiezentrum Sican. Seit seiner Eröffnung 1991 hat es sich zu einer renommierten Adresse für junge Unternehmen aus den Bereichen Mikroelektronik und Lasersysteme entwickelt.

Noch älter ist das aus der Leibniz Universität hervorgegangene, 1986 gegründete Laser Zentrum Hannover (LZH), eine der ersten Ansiedlungen im Wissenschaftspark. Unter den heute 200 Beschäftigten des LZH sind viele Doktoranden und Postdocs der Universität, die mit ihren Ideen immer wieder den Sprung in die Selbständigkeit wagen. 18 neue Firmen im Bereich der optischen Technologien sind auf diese Weise bislang entstanden.

 

Zu ihnen zählt Cutting Edge Coatings, gegründet von Kai Starke: 2007 begann das Unternehmen mit der Herstellung von Anlagen, deren ­Entwicklung auf Forschungsprojekten über optische Filter basiert. Heute fertigt er im Taurus-Technopark hochkomplexe Sondermaschinen, mit denen Laserspiegel höchster Güte für Industrie und Grund­lagenforschung realisiert werden. Warum ist er vor Ort geblieben? „Die Atmosphäre macht viel aus, auch die persönlichen Kontakte sind wichtig“, sagt Geschäftsführer Kai ­Starke. „Wenn wir etwas analysieren müssen, können wir die Geräte vom Nachbarn nutzen und gleichzeitig neue Ideen diskutieren.“

Heute zählt die Science Area 30X mehr als 60 Ansiedlungen, überwiegend Institute und Firmen der Hochtechnologie, aber auch des ­Automobilbereichs, darunter seit Anfang 2022 der Kfz-Zulieferkonzern Forvia mit 850 Beschäftigten am Standort. „Die Science Area hat uns bereits mit der Leibniz Universität Hannover zusammengebracht: Wir haben zusammen eine Vorlesungsreihe zur Produktentwicklung aufgesetzt und wir forschen gemeinsam an neuen Sitztechnologien“, erklärt Christian Beer, Geschäftsführer Faurecia Seating.

Das private Technologiezentrum Sican hat sich zu einer renommierten Adresse für junge Unternehmen aus den Bereichen Mikroelektronik und Lasersysteme entwickelt. Foto: LHH
Das private Technologiezentrum Sican hat sich zu einer renommierten Adresse für junge Unternehmen aus den Bereichen Mikroelektronik und Lasersysteme entwickelt. Foto: LHH
Das OPTICUM ist ein bundesweites Leuchtturmprojekt für die Forschung an neuen optischen Technologien und kombiniert Optik, Produktionstechnik, Materialentwicklung und Informatik. Foto: Henn/OPTICUM
Das OPTICUM ist ein bundesweites Leuchtturmprojekt für die Forschung an neuen optischen Technologien und kombiniert Optik, Produktionstechnik, Materialentwicklung und Informatik. Foto: Henn/OPTICUM

Forschen und Arbeiten im Grünen

Die Ansiedlung von Forvia, die jüngste Erweiterung des Technologie Zentrums und geplante Vorhaben wie die Berufsbildungsstätte der Schornsteinfegerinnung Niedersachsen zeugen von der wachsenden Dynamik des Technologieparks. Ein Grund ist sicher die flächen­deckende Glasfaser- und Fernwärmeversorgung, dazu die Einbettung des Hightech-Parks in einen attraktiven Landschaftspark“, sagt Wirtschaftsförderin Zingsheim. „Seither können wir innovative Unternehmen mit der Aussicht auf Arbeit und Forschen im Grünen locken.“

Dabei kommt den heute drei Technologiezentren eine zentrale Funktion in der Unternehmensförderung zu: Das sind – neben Sican – das Technologie Zentrum von hannoverimpuls, der Wirtschaftsför­derungsgesellschaft von Landeshauptstadt und Region Hannover, das im November 2022 erweitert wurde, und der Technopark von US-­Projektentwickler Taurus Investment, der seinen Standort über das Immobilienberatungsunternehmen Aptum selbstbewusst als „Marienvalley“ vermarket.

Doch auch die Forschungsinstitute bringen immer wieder neue, technologieorientierte Unternehmen hervor, wie das Laser Zentrum ­Hannover eindrucksvoll zeigt.

 

„Entsprechend sehen wir gute Aussichten, mit dem OPTICUM den Standort in Richtung optische Tech­nologien zu stärken. Das Projekt ist ein Meilenstein für Hannover“, sagt die Wirtschaftsförderin Zingsheim.

Das OPTICUM ist ein bundesweites Leuchtturmprojekt für die Forschung an neuen optischen Technologien und kombiniert Optik, Produktionstechnik, Materialentwicklung und Informatik. Bund und Land Niedersachsen fördern den Forschungsbau mit 54 Millionen Euro, der 2026 die Forschungsschule für Optik & Photonik der Leibniz Universität Hannover (LUH) aufnehmen wird sowie rund 120 Forschende des Exzellenclusters PhoenixD.

Überblick: Die Science Area 30X

Der frühere Technologie- und Wissenschaftspark Marienwerder bündelt in rund 60 Unternehmen, Technologiezentren und Instituten die Kompetenzen aus den Bereichen Automotive, Optik, Produk­tionstechnik, IT, Medizin und Biotechnologie mit mittlerweile mehr als 1.000 Beschäftigten. Er profitiert vom Hochschul- und Forschungsstandort Hannover mit rund 51.000 Studierenden, ins­besondere von der Nähe zur Leibniz Universität, einer der führenden technischen Hochschulen Deutschlands mit internationalem Renommee.

Die bekanntesten (größeren) Ansiedlungen sind der Automobilzu­lieferer Forvia, das Laser Zentrum Hannover (LZH), das gemein­nützige Institut für Integrierte Produktion (IPH) sowie die Technologiezentren von hannoverimpuls, Taurus Investment und Sican.

Im direkten Umfeld des Technologieparks in Marienwerder und Stöcken finden sich führende Unternehmen der Kfz-Branche: Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN), der Automobilzulieferer und Reifenhersteller Continental und Clarios, das für viele Fahrzeugarten Batterien entwickelt. Die drei Unternehmen haben dort Verwaltung, Produktion sowie Forschung und Entwicklung angesiedelt.

In Planung sind der Forschungsbau OPTICUM der Leibniz Uni­versität, das Bildungs- und Innovationszentrum im Schornstein­fegerhandwerk (BIS), zu dem unter anderem das Institut für Gebäudelüftung und Digitalisierung der Schornsteinfegerinnung Hannover gehört, sowie ein Inklusionshotel, das überwiegend Menschen mit Behinderung beschäftigen und in Serviceapartments auch Langzeitaufenthalte ermöglichen soll.

Gelungene Arbeitsteilung

Während im Laser Zentrum LZH und im Technologie Zentrum von hannoverimpuls eher junge Startups arbeiten, haben die Technologieparkbetreiber Taurus und Sican Unternehmen im Blick, die ihre erste Wachstumsphase bereits abgeschlossen haben. Zu diesen Firmen zählen beispielsweise der Lasertechnik-Spezialist Civan Lasers und die Bundesdruckerei-Tochter Maurer Electronics, die Hard- und Software für ID-Systeme entwickelt.

An solche Kandidaten richtet sich auch der dritte Bauabschnitt des Taurus-Technoparks: ein 150 Mio. Euro teurer Sechsgeschosser, der die Gesamtnutzfläche Anfang 2024 auf 43.000 Quadratmeter Nutz­fläche für bis zu 2.500 Beschäftigte erhöhen soll. Der Neubau wird wie die ­bisherigen Bauabschnitte aufwendige Gebäudetechnik für Grün­dungen aus den Bereichen Elektronik, Pharma, Biotechnologie und Maschinenbau bieten.

„Die Unternehmen können hier forschen und sogar produzieren“, sagt Taurus-Geschäftsführer Ulrich Gerhardt, der für die Erdgeschoss­flächen eine doppelte Raumhöhe, besonders hohe Bodentraglasten und extra starke Lüftungssysteme vorgesehen hat. Davon profitiert etwa das mehrfach ausgezeichnete Medizin-Startup Cardior, das seit 2022 zwei Reinräume für die Forschung und Entwicklung von RNA-basierten Therapeutika zur Vorbeugung von Herzkrankheiten nutzen kann. Doch auch etablierte Unternehmen lassen sich bei Taurus nieder, darunter der in Singapur beheimatete Reifenhersteller Giti Tire mit ­seiner Forschungs- und Entwicklungsabteilung.

 

Foto: Alexander Limbach/stockAdobe.com
Foto: Alexander Limbach/stockAdobe.com

Neuer Technologiepark am Campus Maschinenbau Garbsen

Erst am Anfang der Entwicklung steht der wenige hundert Meter entfernte Technologiepark am Campus Maschinenbau Garbsen der Leibniz Universität. Die Leibniz Universität übersiedelte 2004 mit acht produktionstechnischen Instituten in die Nachbarstadt, die dort das Produktionstechnische Zentrum (PZH) als ersten Abschnitt des ­Campus Maschinenbau bilden: Rund 270 Forscher der Ingenieur- und Naturwissenschaften entwickeln neue Maschinen und Verfahren, ­häufig in Kooperation mit der Industrie.

2019 zogen die übrigen 11 Maschinenbau-Institute der Uni um in den 149 Mio. Euro teuren zweiten Abschnitt des Campus Maschinenbau, der damit komplettiert wurde. Er bietet Platz für rund 5.300 Studierenden und Beschäftigte und neuerdings auch für den „Wasserstoff-­Campus Hannover“ – den zentralen Cluster einer künftigen Wasserstoffwirtschaft, so die Strategie „Generation H2“ der Region Hannover.

Um universitäre Ausgründungen zu fördern, aber auch um jungen Tech-Unternehmen neue Ansiedlungsmöglichkeiten zu bieten, wollen die Region Hannover und die Stadt Garbsen auf einer vier Hektar ­großen Fläche in fünf Bauabschnitten einen Technologiepark mit 50.000 Quadratmeter Büro-, Seminar-, Labor- und Werkstattflächen errichten lassen. Dazu bereiten die Stadt Garbsen und die Region Hannover derzeit ein Investorenauswahlverfahren vor. Konzeptideen wurden auf der Expo Real 2022 in München präsentiert, Architekturentwürfe folgen Mitte 2023. Anfang 2026 könnte das erste Gebäude seine Türen öffnen.

Titelbild: Science Area 30X und Wissenschaftspark Garbsen
Foto: Dirk Laubner