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Familie und Beruf

Foto: nenetus/stockAdobe.com

VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehört heute zu den wichtigsten gesellschaftspolitischen Heraus­forderungen – auch in der Region Hannover. Um wertvolle, in diesem Zusammenhang vor allem weibliche Fachkräfte auf dem regionalen Arbeitsmarkt zu halten oder nach einer familienbedingten Pause wieder erfolgreich in ihn zurückzuführen, hat die Region Han­nover schon im Jahr 1996 die Koordinierungsstelle Frau und Beruf Region Hannover (KoStelle) auf- und ausgebaut. Allein im ersten Halbjahr 2022 wurden dort 120 Frauen aus der Region Hannover beraten, 2019 waren es insgesamt 231, 2020 und 2021 durch die corona­bedingten Einschränkungen etwas weniger.

Durch Zufall auf die KoStelle gestoßen

Ein Beispiel aus der Beratung soll hier für sehr viele ähnlich gelagerte Biografien stehen: Im Jahr 2020 suchte Johanna Prien-Kaplan die Beratungsstelle auf. Die hochqualifizierte Frau, die zuvor in Berlin ein Ethnologie-Studium mit dem Master und der Note 1,0 abgeschlossen hatte, fühlte sich beruflich perspektivlos. „Ich wusste überhaupt nicht, wie es weitergehen sollte, habe mir Vorwürfe gemacht, beruflich nicht breiter aufgestellt zu sein. Fast hatte ich das Gefühl, nichts mehr wert zu sein. Das war schrecklich“, erinnert sie sich.

Denn eigentlich hatte sie an den Master direkt eine Promotion ­anschließen wollen, war gemeinsam mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn eigens wegen einem Ganztags-Kita-Platz und den Großeltern zur Unterstützung nach Hannover zurückgekehrt. Doch dann kündigten sich Zwillinge an, alle ihre beruflichen Träume platzten. „Ich wollte für die Doktorarbeit ins Ausland, das wäre mit einem kleinen Kind wohl noch möglich gewesen. Aber mit dreien?“ Hinzu kam: Da das Gehalt ihres Mannes, der als Erzieher arbeitete, für die große Familie nicht ausreichen würde, musste zusätzliches Geld verdient werden. Die heute 33-Jährige suchte nach einem zu ihrem Hochschulabschluss ­passenden Job, fand aber nichts. Schließlich jobbte sie als Büroaushilfe. In der ein Jahr dauernden Elternzeit, die sie gemeinsam mit ihrem Mann ­bewältigen konnte, haderte sie, wurde durch Zufall auf die KoStelle der Region Hannover aufmerksam und vereinbarte umgehend einen Beratungstermin.

Mutter- und Kindgruppe am Tisch Foto: Vibe Images/stockAdobe.com
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Bewerbungen waren bald erfolgreich

„Schon der erste Termin war sehr empowernd. Im Laufe der weiteren Beratungsstunden und einer anschließenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit habe ich dann eine 180-Grad-Wendung gemacht. Ich habe begriffen, dass ich persönlich und fachlich kompetent bin und dass es jenseits einer Doktorarbeit viele andere tolle Berufs­möglichkeiten für mich gibt“, fasst sie zusammen. Sie begann, sich trotz drei kleiner Kinder zu bewerben und fand schnell eine befristete Teilzeitstelle im Gleichstellungsbüro eines hannoverschen Krankenhauses. „Diese Arbeit erfüllt mich total, ich bin glücklich und ausgeglichen“. Für ein paar Stunden in der Woche ist sie außerdem als Honorarkraft für die KoStelle tätig. 

Der Verdienst ist insgesamt so ausreichend, dass ihr Mann inzwischen nicht mehr als Erzieher arbeitet, sondern ein ­Studium für Soziale Arbeit aufgenommen hat. „So hatten wir es uns beim ersten Kind überlegt: Erst arbeitet er und ich studiere, dann ­arbeite ich und er studiert. Jetzt geht der Plan auf“, freut sich Johanna Prien-Kaplan. Alle drei Kinder haben einen Platz in einer Kita und die Großeltern helfen bei der Betreuung mit.

Familie im Garten Foto: Gorodenkoff/stockAdobe.com
Foto: Gorodenkoff/stockAdobe.com

Einzelberatungen, Seminarprogramm und Netzwerk

Die KoStelle agiert vernetzt, arbeitet eng mit der Bundesagentur für Arbeit, dem Jobcenter, Unternehmen und anderen Arbeitsmarktakteur*innen zusammen. „Wir sehen uns als Lotsinnen, die Wege zeigen – von der beruflichen (Neu-) Orientierung bis zur Notfallbetreuung“, beschreibt Koordinierungsstellen-Leiterin Ayten Berse die Aufgaben der KoStelle. Die Beratung ist kostenlos und ­findet in vertraulichen Einzelgesprächen statt. Sie steht auch Männern in Erziehungs- und Elternzeit zur Verfügung. Im umfangreichen, online buchbaren Seminarprogramm finden sich zahlreiche Weiterbildungsangebote und Informationsveranstaltungen zur Orientierung auf dem Arbeitsmarkt. Um die Frauen miteinander zu vernetzen, gibt es das Netzwerk „Welcome back“. „Auf den regelmäßigen Netzwerktreffen können sich Berufswiedereinsteiger*innen neue Impulse holen, sich austauschen, gegenseitig stärken und Kontakte mit anderen Frauen knüpfen“, so Ayten Berse.

Darüber hinaus agiert die KoStelle als Geschäftsstelle für einen Verein: dem Überbetrieblichen Verbund Hannover (ÜBV) e. V. In diesem ­Verbund engagieren sich regionale kleine und mittlere Unternehmen für familienfreundliche Beschäftigungsstrukturen, flexibles Personalmanagement und zukunftsorientierte Personalplanung. Denn: Fami­lienfreundlichkeit und eine lebensphasenorientierte Personalpolitik sind ein wichtiger Wettbewerbsvorteil und steigern die Attraktivität von Arbeitgeber*innen – auch am Wirtschaftsstandort Hannover.

Titelbild: nenetus/stockAdobe.com