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Kultur

Foto: HMTG

Vorhang auf – Kreativität läuft

Die kulturelle Vielfalt der Landeshauptstadt gleicht ­einem riesigen Mosaik. Es leuchtet, es vereint unge­ahnte Facetten und es überrascht selbst Insider. Bitte näher heranzoomen!

„In welcher Welt wollen wir leben?“ Spannender als diese aktuelle Frage sind höchstens noch die Antworten darauf. Denen stellt sich zum Beispiel das Schauspiel Hannover in der laufenden Spielzeit. Familie, Zukunft und Widerstand lauten einige Stichworte, wie Intendantin Sonja Anders aufzählt. Die Fragen nach dem Sinn des Lebens, der Bestandsaufnahme unseres Daseins und den Perspektiven, die sich öffnen, werden öffentlich diskutiert. Das ist nicht nur genug Stoff für viele Bühnendarbietungen, sondern auch für Formate, an denen die Zuschauerinnen und Zuschauer selbst mitwirken können. Festivals, Hochschulen und freie ­Theatergruppen sind mit von der Partie. Hannover prak­tiziert Frische, rüttelt auf, animiert, hinterfragt, ist unbequem und kann einen auch kräftig zum Lachen bringen. Das war in Hannover nicht immer so.

Neben dem Schauspielhaus bieten die historische Cumberlandsche ­Galerie mit der Theaterbar sowie der Ballhof Eins und Zwei in der ­Altstadt spannende Aufführungen. Auch im klassizistischen Opernhaus gehen anregende Stücke über die Bühne, geben sich Opernintendantin und Ballettdirektor größte Mühe, das Publikum zu begeistern. 2021 wurde Marco Goecke sogar zum „Choreographen des Jahres“ gekürt. Sprudelnde Schaffenskraft wird ihm bescheinigt. Sein Stil ist fiebrig, pulsierend und vogelhaft, denn er zeigt eine eigenständige Tanzsprache. Was für eine Bereicherung! Schon im Jahr zuvor hatte Opernintendantin Laura Berman den Preis als „Bestes Opernhaus“ abgeräumt. Sie setze nicht auf vermeintlich große Namen, heißt es in der Begründung, sondern auf Qualität.

Kultur ist elementar für das geistige (Über-)leben

Als „herausragende künstlerische Programmarbeit“ ist auch das kleine Theater an der Glocksee für seine einfallsreichen Outdoor- und Online-Formate während der Pandemie 2021 geehrt worden. Es erhielt den Theaterpreis des Bundes. Wie kreativ Theaterleute sein können, haben auch andere unter Beweis gestellt. Sportplätze, Strandbäder oder auch die Insel Wilhelmstein im Steinhuder Meer wurden zu Spielorten, weil das Draußen zählt. Die Eisfabrik in der Südstadt mit der Fotogalerie, das Kleckstheater oder auch die Theaterwerkstatt im Kulturzentrum Pavillon sind nur einige weitere Beispiele, an denen Kultur gelebt wird. Und genau das haben so viele Menschen, gequält von Homeoffice und Kontaktbeschränkungen, wieder ganz neu schätzen gelernt – Kultur ist elementar für das geistige (Über-)leben.

Sehr schön ist das bei den jährlichen KunstFestSpielen Herren­hausen nachzuvollziehen. Intendant Ingo Metzmacher gelingt es immer ­wieder neu, eine professionelle Verbindung von Kunst, Musik und inter­nationalen Stars aufzustellen. Das taucht die Herrenhäuser Gärten ­sowie weitere Plätze und ungewöhnliche Orte in der Stadt meist im Mai in ein magisches Spannungsfeld. Zudem sind die Herrenhäuser Gärten ein Gesamtkunstwerk. Der Große Garten mit der riesigen ­Fontäne, ­gespeist aus der frisch renovierten Wasserkunst, und den ­barocken ­Formen, besticht einmal mehr mit dem ältesten Garten­theater. Es ist gerade nach alten Vorlagen neu konzipiert worden. Konzerte in ­Orangerie und Galerie sind von internationalem Rang. Das Winter­varieté des GOP gehört dazu. Der Berggarten mit seinem Artenreichtum, den seltenen Bäumen und reich bepflanzten Gewächshäusern ist ein besonderes Kleinod.

Oster-Tanz-Tage in der Oper oder auch der Internationale Wettbewerb für Choreographie faszinieren die Menschen. Zwei private Theater in der Georgstraße widmen sich ebenso intensiv den Gästen: das GOP-Varieté-Theater mit seinen Shows, Artisten und Comedy-Stars und das Neue Theater mit Komödien und Boulevardstücken. Mit großer Bravour gestaltet das „TAK – Theater am Küchengarten“ in Linden das Kabarettprogramm. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Immer fällt das kreative Moment auf, das hohe persönliche Engagement – und das wird so bleiben.

Kultur for free: Graffiti an einem Mehrfamilienhaus am Engelbosteler Damm Foto: HMTG
Kultur for free: Graffiti an einem Mehrfamilienhaus am Engelbosteler Damm Foto: HMTG

Was die Sinne fordert und Herzen erwärm

Kurz die Top-Ereignisse im Schnelldurchlauf: Maschseefest – der ­größte Event in Norddeutschland besteht aus drei Wochen Urlaubsgefühl mit Musik und internationaler Kulinarik. Das Schützenfest Hannover – ja, es ist das größte der Welt, ein Mega-Ereignis mit Tradition und gar nicht angestaubt. 10.000 Menschen und mehr als 40 Kutschen und Fest­wagen gehören allein beim Schützenausmarsch dazu. Der ­Internationale Feuerwerkswettbewerb – der Himmel über dem ­Großen Garten glüht, Musik erklingt und erwärmt die Menschen, und das mehrmals von Mai bis September. Das Kleine Fest im Großen Garten – Kleinkunst auf mehr als 30 Bühnen verblüfft und erobert die Herzen. Der Hannover Marathon – laufen und Gemeinschaft erleben. Die Heimspiele im Stadion von Hannover 96 am Maschsee – Fußball zieht immer, aber auch Handball, Wasserball oder Darts rangieren in Hannover in oberen Ligen. Der RegionsEntdeckertag – die unbe­kannten Ecken der Region Hannover erleben, und die ist immerhin fast 2300 Quadratkilometer groß (also größer als Monaco und der Vatikan zusammen). Das Lister-Meilen-Fest – Nachbarschaftskultur pflegen. Der Weihnachtsmarkt – Altstadt einmal ganz anders sehen und sich vom Duft der Bratäpfel und des echten Tannenwaldes betören lassen.

 

Selbst ins Stadtleben tauchen: Von Graffiti bis Leibniz

“Kultur for free” heißt in Hannover: Sich die Wege zur Kunst selbst suchen und tief in das Stadtleben eintauchen. Beispiel eins: Streetart & Graffiti-Tour. Das ist deshalb ein Highlight, weil Künstler Fassaden bemalt haben und damit plakativ anregen. Häuser am Engelbosteler Damm in der Nordstadt, vom Raschplatz bis zum Volgersweg, Bunkerwände am Welfenplatz oder rund um die Glocksee in Linden sind famose und peppige Belege für diese erstaunliche Kunstform.

Noch ein Tipp dazu: Die Urbane Kunstwoche im August verwandelt die Stadt in eine Galerie. Vor den Augen der Gäste entstehen groß­flächige Wandgemälde. Live dabei zu sein, ist ein packendes Erlebnis. An Hola Utopia und Urban Nature beteiligten sich international bekannte Künstlerinnen und Künstler.

Beispiel zwei: Auf den Spuren des Universalgelehrten Gottfried ­Wilhelm Leibniz durch die Stadt gehen. Ein Faltplan hilft, den Leibniz-Tempel im Georgengarten zu finden und zeigt auch, wo das Denkmal mit den vielen Nullen und Einsen steht. 40 Jahre lang lebte das Uni­versalgenie in der Stadt, die heute noch seine 200.000 Blätter Korrespondenz mit 1.100 Adressaten in 16 Ländern auswertet.

Dann lockt natürlich der bekannte Rote Faden, der tatsächlich aufs Pflaster der Innenstadt gemalt ist und zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten führt. Auch der Rundgang zu den etwa 200 Objekten von Kunst im öffentlichen Raum lädt zum Entdecken ein. Und bei allem ist ja das Schöne: You never walk alone.

Schützenfest in Hannover Foto: herbert frost/stockAdobe.com
Schützenfest in Hannover Foto: herbert frost/stockAdobe.com
Sprengel Museum am Maschsee Foto: Hans Zaglitsch
Sprengel Museum am Maschsee Foto: Hans Zaglitsch

Museen generieren Aufbruch

Den Erfinder des Comics würde man irgendwo in Kalifornien ver­muten. Genau genommen hat aber Wilhelm Busch die ersten gezeichnet und bedichtet. „Max und Moritz“ sind Klassiker. Genau deshalb befindet sich im ehrwürdigen Georgenpalais des Georgengartens in Herrenhausen das „Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst“, denn Busch lebte einige Zeit in der Stadt. ­Neben seinen Werken wechseln die Ausstellungen. Alles von Rang und Namen der Branche war schon da – von Loriot über Tomi Ungerer und Peter Gaymann (der mit den Hühnern) bis zu Marie Marcks oder Ronald Searle.

Das Sprengel Museum am Maschsee geht auf die Sammlung der hannoverschen Schokoladenfabrikanten Bernhard und Margrit Sprengel zurück. Es zeigt Werke der Klassischen Moderne von Pablo Picasso über Otto Dix bis zu Paul Klee oder Emil Nolde. Aber auch Henry Moore oder Gerhard Richter sind vertreten. Die historische Badeanstalt im Jugendstil hingegen befindet sich am Anzeiger Hochhaus (von Fritz Höger entworfen) und beherbergt die Kestnergesellschaft – einer der größten Kunstvereine Deutschlands.

 

Wie es das Landesmusum Hannover, Niedersachsens größtes staat­liches Museum gleich nahe der Staatskanzlei, geschafft hat, den Staub früherer Jahre abzuschütteln, ist schon bemerkenswert. Das Neo­renaissance-Haus wurde generalsaniert. Das ist das eine. Aber weitaus beeindruckender ist die thematische Neuorientierung. NaturWelten lassen in vielfältiger Weise Blicke zu, die den Menschen einmal nicht ins Zentrum stellen. Dafür sind die MenschenWelten ein anschauliches Stück Geschichte und Mahnung. Die DigitalWelten eröffnen quasi als Wegweiser einer Zeitreise den Blick auf 111 Objekte, die sich von ­jedem Endgerät aus anklicken lassen. Das Fossil einer Fächerpalme gehört ebenso dazu wie das Kloster Walkenried im Südharz. Grandios!

Auch das Museum August Kestner neben dem Neuen Rathaus ist ein Publikumsmagnet. Kestner war ein hannoverscher Diplomat und Gesandter in Rom, der eine große Kunst- und Antikensammlung ­zusammenkaufte. Er hat nichts mit dem Schriftsteller Erich Kästner zu tun. Die Kestner Gesellschaft, das Schloss Marienburg oder auch das Museum Schloss Herrenhausen sind weitere wunderbare Orte zum Anschauen und Nachdenken.

Das Maschseefest ist in den Abendstunden ein farbenfrohes Spektakel an den Uferpromenaden. Foto: KEVINMUENKEL
Das Maschseefest ist in den Abendstunden ein farbenfrohes Spektakel an den Uferpromenaden. Foto: KEVINMUENKEL

Das legendäre „Apollo“-Kino und originelle Musik-Events

Von den Kinos ist das „Apollo“ erwähnenswert, weil es das älteste, noch heute intakte Kino in Norddeutschland ist. 1908 begann der Betrieb. 300 staunende Gäste nahmen im ehemaligen Tanzsaal Platz und erlebten Stummfilme, die live von Klaviermusik begleitet wurden. 1973 stieg der spätere Kino-Großbesitzer Hans-Joachim Flebbe ein und führte das Kino mit Unterhaltungsfilmen aus der Krise. Im „Apollo“ entstand so das erste Programmkino in Deutschland. Noch heute ist das Astor Grand Cinema Hannover der große Anlaufpunkt. Es hat zehn Kinosäle, mehr als 2.100 Plätze, die vor allem gemütlich sind. Ganz großes Kino – sozusagen. Auch für Events und Filmpremieren mit Stars ist es die erste Adresse.

Konzerte sind in der Stadt und Region so zahlreich, dass man denken könnte, alle tanzen hier ständig. Das NDR-Plaza-Festival geht mit Zehntausenden von Gästen auf der EXPO-Plaza über die Bühne. Im Stadion und auf dem Messegelände treten regelmäßig Weltstars auf und füllen die Ränge. Am Himmelfahrtstag swingt Hannover auf dem Trammplatz vor dem Neuen Rathaus. Der legendäre Jazz Club Hannover (in einem Keller am Lindener Berg zu Hause) richtet das Ganze meisterhaft aus. Am Mittsommerabend (21. Juni) treten Bands auf vielen ­Pop-up-Bühnen in der Innenstadt zur Fête de la Musique auf – ein Hauch von der City of Music ist zu hören. Hannover trägt diesen UNESCO-Titel seit 2014. Zum Masala Weltbeat Festival trommelt sozusagen die ganze Region, denn die internationale Musik kennt viele Vorspielorte. Kleine, feine Konzerte in Kirchen, Gärten oder auch Scheunen machen das Kultursommer-Festival beliebt. Klassik in ­Herrenhausen, im NDR-Funkhaus oder im HCC (Hannover Congress Centrum) sind weitere musikalische Meisterauftritte, die dem Publikum lange in Erinnerung bleiben.

Links: Kunst im öffentlichen Raum Fotos: HMTG (li.) und herbert frost/stockAdobe.com
Kunst im öffentlichen Raum Foto: HMTG

Lebens- und liebenswert – dank kultureller Lebensqualität

All das zeigt doch: Hannover ist bei allen Angeboten, die mehr ­Lebensqualität bedeuten, ganz weit vorn. Was die Stadt und die Region lebens- und liebenswert machen, sind alle Facetten dieser kulturellen Vielfalt. Das sind originelle Musikdarbietungen, das ist unterhaltsames Theater, welches nicht belehrt, sondern zum Nachfühlen und Weiterdenken animiert. Die Museen, die einen mit Inhalt und der Form ihrer Vermittlung von Themen ins Staunen versetzen, gehören auch dazu. Die Kunst- und Kulturszene brodelt vor Ideen – daher öfter mal in die Programme schauen. Es gibt soviel Neues!

Titelbild: HMTG