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Wasserstoffwirtschaft

Foto: Achim Wagner/stockAdobe.com

DIE REGION TREIBT DIE WASSERSTOFFWIRTSCHAFT VORAN

Die Unternehmen in der Region Hannover befinden sich am Anfang eines weitreichenden Transformationsprozesses: weg von fossilen Energieträgern, hin zu ­erneuerbaren Energien und mehr Energieeffi­zienz. Denn nur mit einer drastischen Reduktion der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs kann die ­Region ihren Beitrag zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens leisten. Dabei kommt der Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft eine besondere Bedeutung zu und so hat die Region 2021 ihre ­Wasserstoffstrategie auf den Weg gebracht. Seit 2022 trägt sie den Namen „Generation H2“.

Wasserstoff ist eine Möglichkeit, um die Verwendung ­erneuerbarer Energie aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse in der Breite durchzusetzen – und dadurch Klimaneutralität zu erreichen und zwar, wie 2021 von der Region Hannover beschlossen, bereits 2035. Denn H2, so die chemische Formel, erscheint derzeit als eine der besten Möglichkeiten, das Speicherproblem zu lösen, das bislang die Durchsetzung der Erneuerbaren behindert. Die Energiedichte von Wasserstoff ist extrem hoch: Sie liegt dreimal höher als bei Diesel und hundertmal höher als bei einer E-Autobatterie.

Zentraler Baustein der Wasserstoffstrategie ist der Wasserstoff-­Campus Hannover, der von der Region mit rund 600.000 Euro gefördert wird. Er bündelt die Kompetenzen diverser Institute der Leibniz Universität Hannover (LUH) am Campus Maschinenbau Garbsen. Foto: Olaf Mahlstedt
Zentraler Baustein der Wasserstoffstrategie ist der Wasserstoff-­Campus Hannover, der von der Region mit rund 600.000 Euro gefördert wird. Er bündelt die Kompetenzen diverser Institute der Leibniz Universität Hannover (LUH) am Campus Maschinenbau Garbsen. Foto: Olaf Mahlstedt

Ein Katalysator: Generation H

Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft bedeutet aber auch die Schaffung neuer, zukunftsträchtiger Wertschöpfungsketten, die sowohl die Erzeugung von Wasserstoff als auch seine Nutzung einschließen und – nach derzeitigem Stand der Technik – insbesondere den Mobilitätsbereich verändern werden.

Gerade beim Antrieb von Schienenfahrzeugen, Lkw, Bussen und Schiffen bietet Wasserstoff erhebliche ökonomische und ökolo­gische ­Potenziale. Sie sind für die Region umso bedeutender, als Zehn­tausende Menschen in den Mobilitätsbranchen Automobil, Verkehr, und Logistik arbeiten. Perspektivisch könnte regional erzeugter Wasserstoff helfen, die Flugzeuge am Flughafen Hannover-Langenhagen zu betanken und die hohen CO2-Emissionen der Zementherstellung in der Region zu senken. Bislang nutzt nur ein Unternehmen in der ­Region Wasserstoff versuchsweise als Energieträger.

 

Vor diesem Hintergrund soll Generation H2 der Region Hannover als Katalysator wirken. Unternehmen sollen mit Experten und Forschungseinrichtungen in projektbezogenen Kooperationen zusammengeführt werden, um aus Ideen Realität werden zu lassen: in Projekten, aber auch in regelmäßigen Netzwerkveranstaltungen und jährlichen Kongressen. Bis 2024 will die Region Hannover 6,5 Millionen Euro zur Umsetzung ihrer Wasserstoffstrategie bereitstellen. Sie engagiert sich überdies mit der IHK Hannover und diversen Landkreisen seit Juli 2022 im Wasserstoffnetzwerk Leine-Weser.

Zentraler Baustein der Wasserstoffstrategie ist der Wasserstoff-Campus Hannover, der von der Region mit rund 600.000 Euro gefördert wird. Er bündelt die Kompetenzen diverser Institute der Leibniz Universität Hannover (LUH) am Campus Maschinenbau Garbsen, um Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Projekte zu unterstützen. Auch die Forschenden der Hochschule Hannover und ihr Energie-Cluster sollen später in das Projekt integriert werden.

Forschende der LUH unterstützen das Unternehmen Funke Wärmeaustauscher Apparatebau aus Gronau bei der Entwicklung eines kompakten, äußerst effizienten und mittels 3D-Druck hergestellten Wärmetauschers für Wasserstofftankstellen – ein wichtiger Baustein der Energiewende. Denn ohne leistungsfähige „Wärmeübertrager“, wie Techniker sagen, würde der Wasserstoff beim schnellen Befüllen der Brennstoffzellen erhitzen, die heute schon in Bahnen, Bussen und Lkw, künftig aber auch in Schiffen und privaten Haushalten eingesetzt werden können und Komponenten beschädigen.

Region Hannover fördert die Green Economy

Angelehnt an die 17 Ziele zur globalen Entwicklung der Vereinten Nationen hat die Region Hannover 2022 in ihrer Green Economy-Strategie wichtige Eckpunkte der künftigen Regionalen Wirtschafts- und Innovationspolitik vorgelegt. U. a. werden mit der Förderricht­linie „Green Economy“ kleine und mittelständische Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung unterstützt.

Dabei stehen maximal 10.000 Euro bereit, um eine Projektidee über den Technologie- und Wissenstransfer mit einem Expert*innen oder regionalen Forschungspartner*innen zur Praxisreife zu bringen. Erste Projekte werden bereits gefördert.

So ermöglicht der Einsatz eines neuen hochwertigen Druckkopfes, durch die auf 3D-Druck spezialisierte Firma Umeleon aus Hannover, den Materialausschuss bei der Produktion von monatlich 75 kg auf 30 kg zu senken und damit um rund 60 Prozent zu reduzieren. (Motiv 2)

Für die Herstellung und den Vertrieb der 3D-Firmenlogos wird ­bereits ein Material aus Maisstärke verwendet. Mit der Rohstoffwahl wurde bewusst entschieden, die Produktion von 3D-Firmenlogos und Schildern deutlich nachhaltiger durchzuführen.

Die Firma Njordvind wiederum, die Vertikalwindräder entwickelt, wurde bei der Entwicklung eines funktionsfähigen Musters unterstützt. Dabei ging es um die Integration der Überwachungssensorik und die geeignete nachhaltige Leichtbaumaterialien. Die Entwicklung der baulich kompakten, auch in besiedelten Gebieten nutzbaren Vertikalwindräder soll Privatleute, vor allem aber kleine und mittelständische Betriebe unabhängiger von fossilen Brennstoffen machen.

Weitere Förderprojekte der Region Hannover betreffen die naturnahe Gestaltung von Firmengeländen (AußenstelleNatur), kostenfreie Beratungsangebote für eine verbesserte Energieeffizienz (e.coBizz) und ein Umweltmanagement, um Einsparungen bei Energie, Wasser, Emissionen, Abfall und Rohstoffen zu erzielen (Ökoprofit Hannover). Dabei nimmt die Region auch Stadt- und ­Gewerbequartiere in den Blick, in denen flächendeckend Eigentümer und Unternehmen durch Beratungsangebote unterstützt werden , wie derzeit in Gehrden-Ost und Bissendorf. Darüber hinaus hat die Region 2021 Fördermittel für bestehende und neue Gewerbegebiete an konkrete Nachhaltigkeitskriterien gebunden.

 

Die Kläranlage, die Wasserstoff produziert . . .

Die Region Hannover misst den öffentlichen Unternehmen bei der Etablierung der Wasserstoffwirtschaft eine besondere Rolle zu. Dazu gehört die Stadtentwässerung Hannover mit ihrer Kläranlage Herrenhausen. Dort wird das Projekt Sewage Plant H vorbereitet, ein Vor­haben mit europaweiter Strahlkraft, das vom Niedersächsischen ­Umweltministerium mit knapp 6,4 Millionen Euro gefördert wird.

Der Plan sieht vor, ab Ende 2025 im Klärwerk Wasserstoff zu erzeugen und zwar mithilfe von „grünem“ Strom, der zum einen zugekauft wird, zum anderen in eigenen, 2021 neu in Betrieb gegangenen Blockheizkraftwerken erzeugt wird, die das dafür notwendige Bio-Gas aus den Faultürmen der Anlage beziehen.

. . . und Hannover Fernwärme liefert

Die Wärme, die bei der Wasserstoffherstellung mittels Elektrolyse anfällt, soll ins wachsende Fernwärmenetz Hannovers eingespeist werden. Der produzierte Wasserstoff wiederum soll zum Betanken der Busse von ÜSTRA und regiobus genutzt werden. Der bei der Elektrolyse anfallende, unter Druck stehende Sauerstoff wiederum könnte für die Abwasserklärung genutzt werden. Bislang werden hierfür Turboverdichter eingesetzt, die mit angesaugter Umgebungsluft die Becken beleben und einen Großteil des enormen Energiebedarfs eines Klärwerks ausmachen. Im Schnitt gehen in einer Großstadt rund 20 Prozent des Stromverbrauchs der öffentlichen Hand auf Kläranlagen zurück.

Foto: StockAdobe, bluedesign
Foto: StockAdobe, bluedesign

Voran in die Zukunft: ÖPNV und Abfallwirtschaft setzen auf Wasserstoffantrieb

Bereits 2023 wollen die Verkehrsunternehmen ÜSTRA und regiobus, an denen die Region beteiligt ist, je zwei Busse mit Wasserstoff-Brennzelle beschaffen. Das lohnt perspektivisch bei allen Linien, auf denen die Fahrzeuge täglich mehr als 300 Kilometer zurücklegen und das umso mehr, wenn sie im ländlichen Raum unterwegs sind. Die ­notwendige Tankinfrastruktur soll am regiobus-Betriebshof in Neustadt am Rübenberge, später auch im neuen, derzeit im Planung ­befindlichen Betriebshof Weetzen installiert werden, der 2026/27 in Betrieb gehen könnte und für eine umfangreiche Wasserstoff-Busflotte konzipiert wird.

Die Abfallwirtschaft Region Hannover (aha), ein weiteres Tochter­unternehmen der Region, will bis 2045 ihren kompletten Bestand von derzeit 240 Abfallsammelfahrzeugen auf brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge umstellen. Der dafür nötige Wasserstoff soll im Abfall­behandlungszentrum Lahe durch sogenannte Bio-Methan-Plasmalyse erzeugt werden.

Das Verfahren benötigt im Vergleich zur meist eingesetzten Elektrolyse nur ein Viertel der Energiemenge und benutzt als Ausgangsstoff nicht Wasser, sondern Methangas, das bei der Vergärung von Rest- und Bioabfällen in Lahe anfällt. Im Zuge des Projekts soll der technologische Reifegrad von „Prototyp in Einsatzumgebung“ auf „Industriereife“ erhöht werden. Das Projekt wird vom Niedersächsischen Umwelt­ministerium mit 2,6 Millionen Euro gefördert und von der Klimaschutzagentur der Region Hannover unterstützt.

Sollen sich Wasserstoff-Brennzellen im Lkw- und Busbereich durch­setzen, braucht es eine dichte Ladeinfrastruktur, Aktuell besteht diese nur aus zwei Wasserstoff-Tankstellen im Stadtgebiet der Landeshauptstadt. Daher plant der hannoversche Energiedienstleister und Tank­stellenbetreiber Mundt einen Autohof am Airport Businesspark direkt am Flughafen. Die 20 Millionen Euro teure Anlage soll neben konventionellen Kraftstoffen, Flüssiggas und Stromladesäulen auch Wasserstoff in allen gängigen Druckstufen anbieten. Sie wäre nach heutigem Stand die zweite Tankstelle im Regionsgebiet, die mit 350 bar ein Angebot für Lkw und Busse macht – ideal gelegen an der A 352 und damit in der Nähe wichtiger Achsen des Autobahnnetzes (A 2, A 7).

Wissen um Wasserstoff macht den Unterschied

Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist ohne qualifizierte Fachkräfte undenkbar. Bis zu 70.000 neue Arbeitsplätze könnten deutschlandweit in diesem Bereich bis 2030 laut Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband bis 2030 entstehen. Daher fördert die Region Hannover gemeinsam mit anderen Partnern diverse Aus- und ­Weiterbildungsmöglichkeiten. Dazu zählt das Zertifikat Wasserstoffwirtschaft, ein Weiterbildungsstudiengang der Universitäten Hannover und Oldenburg sowie des Fraunhofer-Instituts für Windenergie­systeme IWES, der im September 2022 erstmals gestartet ist.

Weitere Bildungsprojekte sind am Wasserstoff-Campus in Garbsen gebündelt. Dazu zählt das Projekt Multikopter, ein mit Wasserstoff betriebenes Fluggerät, das Studierende verschiedener Fachrichtungen entwickeln. Mit ihm sollen H2-Kompetenzen in Lehre und Lernen implementiert werden. Studierende, aber auch Fachkräfte aus Handwerks- und Industriebetrieben wiederum können Kenntnisse über Erzeugung und Verbrennung von Wasserstoff im Wasserstoff-Grund­lagenlabor erhalten und vertiefen. Schließlich plant die IHK Han­nover, einen zertifizierten Lehrgang Wasserstoff für Ingenieure und ­an­dere qualifizierte Mitarbeitende von Unternehmen aus den ­Bereichen ­Mobilität, Logistik, Produktion und Energie anzubieten.

Titelbild: Achim Wagner/stockAdobe.com