WIE HANNOVER ZUM "CENTER OF FINANCE" WURDE
Seit bald 240 Jahren verleiht die hannoversche Börse der örtlichen Wirtschaft Flügel. Sparkasse und Volksbank stärkten bald den Finanzplatz. Wie sich alle Akteure bei rasanter und radikaler Globalisierung sowie Digitalisierung heute behaupten, ist spannend zu beobachten. Hohe Professionalität und Vernetzung sichern die Zukunft.
Hannover als „Center of Finance” geht sozusagen zurück bis 1785. In jenem Jahr, also kurz vor der französischen Revolution, kamen Kaufleute in Hannover zu der Idee, einen Börsenverein zu gründen. Damit sollte unternehmerisches Handeln einfacher zu gestalten sein. Grob gesagt geht es dabei um Geldanlage und Geldverleih. Ziel ist es, Firmen genug Kredite zu günstigen Konditionen zu verschaffen, damit sie investieren (und gut verdienen) können. Auch König Georg III. war begeistert. Er begriff: eine florierende Wirtschaft braucht ein Fluidum, nämlich einen geregelten Geldfluss. 1787 verlieh der König dem Verein den Rang eines öffentlichen Instituts. Das Jahr gilt somit als Geburtsjahr der Börse Hannover. Sie besteht also im Jahr 2022 bereits seit 235 Jahren. Bis zur Ausgabe des ersten Aktienkurszettels sollte es allerdings noch bis 1858 dauern.
Seit 1823 gibt es die Sparkasse
Diese Epoche – also die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts – ist für Hannover als Finanzplatz bis heute prägend. Bereits 1823 war die Stadtsparkasse Hannover als „Spar- und Leih-Casse in der Königlichen Residenzstadt Hannover“ gegründet worden. Somit gehört sie zu den ältesten Instituten in der deutschen Sparkassengeschichte. Auch heute steht sie noch gut da: Sie hat etwa 1.700 Mitarbeitende und fusionierte Anfang 2003 mit der Kreissparkasse zur Sparkasse Hannover. Dadurch wurde sie größter Finanzdienstleister der Region und zu einer der größten Sparkassen in Deutschland (Platz 6 nach der Bilanzsumme im Jahr 2020).
Die andere Traditionsbank der Region ist die Hannoversche Volksbank. Sie hat rund 1.000 Mitarbeitende, 77 Geschäftsstellen, etwa 250.000 Kunden und 124.000 Mitglieder.
Die letzte Zahl lässt erkennen: Es handelt sich um eine genossenschaftlich organisierte Bank mit vielen Anteilseignern. Sie ist bis heute das älteste privatwirtschaftliche Kreditinstitut von Hannover. Zur Förderung von Landwirtschaft, Handel und Gewerbe im damaligen Königreich Hannover gründeten die Vorsteher der Gilden in Hannover am 1. März 1860 die „Vorschuß-Vereins-Bank zu Hannover“ mit Sitz in der Scholvinstraße 17. Erst in jüngster Zeit fusionierte sie mit den Volksbanken in Barsinghausen und Neustadt, der Lindener Volksbank, der Volksbank Burgdorf-Celle, der Volksbank Garbsen und der Volksbank Hildesheimer Börde.
Die Risiken mit größter Professionalität minimieren
Börse, Sparkasse und Volksbank sind also die Urpfeiler des Finanzplatzes in der Region Hannover. Was den rasanten und radikalen Wandel in der Finanzwelt angeht, vor allem in den vergangenen zwei Jahrzehnten, ist allein die Tatsache, dass es alle drei Einrichtungen noch gibt, ein Zeichen höchster Professionalität. Die Globalisierung des Handels und damit der Finanzströme macht eine robuste und weitschauende Planung in den Banken und Börsen unabdingbar.
Nicht nur die Digitalisierung verändert alle Lebens-, Arbeits-, und Wirtschaftsbereiche massiv. Viele Kundinnen und Kunden laden sich ihre Kontodaten direkt von der Bank auf ihren Computer zu Hause und gehen nicht mehr in die Bank, um sich Belege am Kontoauszugsdrucker zu holen. Doch das Beispiel ist nur ein winziges Element der Digitalisierung. Produkte und Dienstleistungen sollen ständig und überall schnell verfügbar sein und das zu einem möglichst niedrigen Preis. „Fintechs“ ist so ein Reizwort für alteingesessene Banken. Das kombinierte Wort aus „Financial Services“ und „Technology“ beschreibt junge Unternehmen, die mit Hilfe technologiebasierter Systeme spezialisierte und besonders kundenorientierte Finanzdienstleistungen anbieten. Übersetzt heißt das: Junge, Smartphone affine Menschen können online in fünf Minuten ein Konto eröffnen, Geld anlegen, Kredite aufnehmen sowie ihre Geschäfte einfach und schnell zusammenklicken.
Weniger Filialen, aber intensivere Beratung der Kunden
Die eine Folge: Banken und andere Kreditinstitute der Region Hannover werden mehr und mehr zu Technologieunternehmen, weil die Kundschaft immer häufiger digitale Kanäle für ihre Bankgeschäfte nutzt. Das hat eine weitere Folge: Die Beratung ist nicht mehr an die Bankfiliale gebunden, sondern verlagert sich auf verschiedene Kanäle. Das Filialnetz schrumpft, immerhin die Geldautomaten werden bleiben, solange Bargeld eine Rolle spielt. Auch dieser Service ist teuer, gerade für ältere Menschen und alle, die nicht gern mit dem Internet arbeiten, aber notwendig. Dennoch: die Beratung der Kunden wird intensiver und komplexer, je schwerer durchschaubar die Welt des Geldes ist. Dazu brauchen die Banken Mitarbeiter mit hohem Fachwissen und kommunikativen Fähigkeiten. Weniger gefragt sind künftig Sachbearbeiter und Verwalter von Verträgen. Die Banken und Sparkassen setzen nun vermehrt auf Digitalisierung und gleichzeitig auf intensive Kundenbindung durch Veranstaltungen. Diese Gratwanderung ist zudem schwer zu finanzieren, da die Einnahmen aus dem Geldverleih wegen Niedrigzinsen geringer wurden. Trotzdem fördern sowohl die Sparkasse Hannover als auch die Hannoversche Volksbank eine ganze Reihe gemeinnütziger Projekte und Vereine in der Region, geben Zuschüsse zur Förderung von Kunst und Kultur in der Region Hannover. Damit dokumentieren die Bankinstitute nachdrücklich ihre feste Verbindung zur Region und den hier lebenden Menschen.
Schon 2008 das Hannover Center of Finance gegründet
Um auch in Zukunft gut dazustehen, hat die Branche in der Region Hannover längst reagiert. An dieser Stelle ist es angebracht, das Hannover Center of Finance e. V. (HCF e. V.) zu erwähnen. Denn daran zeigt sich die Weitsicht aller Finanzfachleute der Region. Schon lange, bevor „Fintechs“ die Geldwelt in Aufruhr brachten, gründeten fünf Institutsdirektoren der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (Leibniz Universität Hannover) gemeinsam mit engagierten Unternehmen des Finanzwesens und der niedersächsischen Finanzwirtschaft das Zentrum. Das war im Oktober 2008. Dazu gehören heute neben der Sparkasse Hannover und der Hannoverschen Volksbank auch die Swiss Life GmbH, Privatwaterhouse-Coopers AG, Ernst & Young, Horbach Wirtschaftsberatung sowie Deloitte Consulting. Ebenso dabei sind die MLP Finanzberatung, die Deutsche Hypothekenbank, die Deutsche Bundesbank und die Nord/LB.
Ein regionaler Wissenspool soll den Finanzplatz Hannover stärken. Dazu vernetzten sich Akteure aus Wissenschaft, Aufsichtsbehörden, Politik und Praxis auf dem Gebiet des Finanzwesens. Die wichtigsten Stichworte dazu lauten: Kreditwesen, Risikocontrolling, Regulierung, Börsen, Geldwesen, internationale Finanzmärkte, Bankinformatik und Statistik. Was abstrakt klingen mag, hat konkrete Angebote. Regelmäßig werden das Hannover Finance Symposium (jährlich im November) _sowie das Hannover Banking & Finance Colloquium (halbjährlich) ausgerichtet. Die Finanzwelt der Region tauscht sich ständig eng aus und stimmt sich ab. Es geht nicht nur um Wissenstransfer, auch Jobbörse und Karriere-Events sind fest implantiert. Wer sich da einklickt, findet zum Beispiel den „women’s coffee chat“. Online verlinken sich Gleichgesinnte, um in entspannter Atmosphäre Expertinnen und Experten Fragen zu Berufseinstieg und Karriere zu stellen. Das ist zeitgemäß und höchst effektiv.
Von NORD/LB bis NBank
Während es bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften durchweg steil nach oben zu gehen scheint, war das bei der im Hannover Center of Finance verankerten Landesbank NORD/LB zuletzt ein wenig anders. Als Landesbank der Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt unterstützt sie die öffentliche Hand bei Finanzdienstleistungen und wirtschaftspolitischen Themen.
Zu den Kerngeschäftsfeldern zählen Firmenkunden, Spezialfinanzierungen im Energie- und Infrastruktursektor sowie für Flugzeuge oder auch die Finanzierung von Gewerbeimmobilien. Zu schaffen machte der NORD/LB vor allem der Ausfall von Schiffskrediten. Die Bank hat seit 2002 einen modernen Firmensitz in Hannover am Aegidientorplatz in Form von verschwenkten Glasquadern. Das Land Niedersachsen hat noch ein weiteres Instrument: die NBank ist die Investitions- und Förderbank in Niedersachsen. Sämtliche landeseigene Programme der Wirtschaft- und Arbeitsmarktförderung sind bei ihr organisatorisch konzentriert.
Es zeigt sich: Nur wer die Tradition entwickelt, heute schon an morgen zu denken, ist auch übermorgen noch erfolgreich im Markt. Das haben alle Akteure im Finanzplatz Hannover schon lange verinnerlicht. Doch es bleibt eine ständig neu zu lösende Aufgabe, die richtigen Tasten zu drücken und Fäden zu ziehen, um der örtlichen Wirtschaft eine solide Finanzbasis zu bieten.
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