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Robotic

Foto: Robokind Stiftung

DIE ROBOTER KOMMEN! ROBOTICS CITY HANNOVER

Robotik ist eine Schlüsseltechnologie, die künftig in alle Wirtschafts- und Lebensbereiche Einzug hält. Das stellt Politik, Bildung und Wirtschaft vor eine dreifache Herausforderung: Sie müssen qualifizierte ­Arbeitskräfte entwickeln, den Einsatz von Robotern in Unternehmen vorantreiben und die Entwicklung der Roboterbranche fördern. Das anspruchsvolle Ziel ist, in der Zukunft die gesamte Wertschöpfungskette rund um Robotik in der Region zu etablieren. Dazu hat die Region Hannover ihre Anstrengungen 2022 unter der Marke „Robotics City Hannover“ gebündelt.

Noch ist der Umfang der Robotikbranche in der Region überschaubar, doch das Potenzial des Wirtschaftsstandorts mit seiner Vielfalt an Forschung, Gewerbe und Industrie ist vorhanden. Selbst in Gastronomie und Hotellerie halten (technisch eher simple) Roboter Einzug, um Gäste am Tisch bedienen, so wie bei Francesco & Fratelli in Hannover.

Das Potenzial zeigt auch der Blick auf den Globus. Weltweit wächst die Zahl der Roboter von Jahr zu Jahr rasant. Von 2020 bis 2021 nahm die Zahl der Industrieroboter laut internationalem Robotikverband IFR um 31 Prozent auf knapp 3,5 Mio. Stück zu, von denen allein in Deutschland knapp 250.000 im Einsatz sind. Darin inkludiert sind die kollaborativen Roboter („Cobots“), deren Bestand anteilig sogar um 50 Prozent wuchs.

Dabei zeigt sich eine gravierende Veränderung. Denn bislang kamen Roboter meist als fahrerlose Transportsysteme (FTS) zum Einsatz (die streng genommen keine Roboter sind, sondern autonome Fahrzeuge) oder wurden in Form schwerer Industrieroboter im Fahrzeugbau ­eingesetzt. So fahren FTS bei ContiTech in Hannover-Vinnhorst das Material für Kunststoff- und Kautschukprodukte selbstständig durch die Fabrik, während beim Baumaschinenhersteller Komatsu in ­Hannover-Linden die Roboter rund um Uhr Vorder- und Hinter­rahmen zusammenschweißen.

Immer häufiger aber verlassen Roboter die Werkshallen – getrieben vom Fachkräftemangel, der seit 2019/20 die Akzeptanz der Technik deutlich habe steigen lassen, wie Philipp Becker betont. Er ist Dozent an der Bielefelder Fachhochschule des Mittelstands, aber auch Prokurist des Unternehmens Vision Lasertechnik aus Barsinghausen, das den Einsatz von Robotern in Handwerk und mittelständischer Industrie plant und umsetzt.

Das Tochterunternehmen von avateramedical in Hannover wurde ­gegründet, um die Entwicklung von robotergestützten Operationssystems für minimalinvasive Eingriffe voranzutreiben. Ein Schwerpunkt ist die Softwareentwicklung für die Steuerung, Bildverarbeitung und Integration des Chirurgiesystems in den Operationsaal. Foto: Avateramedical
Das Tochterunternehmen von avateramedical in Hannover wurde ­gegründet, um die Entwicklung von robotergestützten Operationssystems für minimalinvasive Eingriffe voranzutreiben. Ein Schwerpunkt ist die Softwareentwicklung für die Steuerung, Bildverarbeitung und Integration des Chirurgiesystems in den Operationsaal. Foto: Avateramedical

Roboter erschließen neue Bereiche

So beobachtet Becker in Theorie und Praxis, wie sich die Roboter ­langsam, aber stetig neue Einsatzfelder erschließen: in Produktionsbetrieben wie beim hannoverschen Ventilhersteller Nass Magnet, wo Leichtroboter Teile vom Band greifen, in die Prüfstation einsetzen und am Schluss in die Verpackung legen; in Laboren und Operationssälen wie im Vinzenzkrankenhaus und KRH Klinikum Siloah und als ­Assistenzroboter in Pflege und Medizin. Auch in Agrarwirtschaft und Großküchen werden Roboter absehbar Aufgaben übernehmen. ­Gleiches gilt für die Handwerksbetriebe, von denen laut Bitkom und ZDH bundesweit erst sechs Prozent Roboter einsetzen.

 

Den Begriff „Cobots“ sieht Robotik-Experte Becker dabei skeptisch. Er spricht lieber von Leichtbaurobotern, die vergleichsweise kostengünstig geworden sind und deren Sensorik und leichte Programmierbarkeit sie flexibel einsetzbar macht. „Die meisten sogenannte Cobots arbeiten schon aus rechtlichen Gründen nur bei der Inbetriebnahme mit dem Menschen zusammen, der im Übrigen eine effiziente Produktion eher stört.“ Schon aus diesen Gründen wird es noch länger dauern, bis Roboter ganze Häuser bauen oder auch nur die Verputz- und Bohrarbeiten erledigen und die Aufzüge installieren – zu komplex sind die Bedingungen vor Ort, zu hoch die Anforderungen an die Sicherheit.

Auch die Kosten sind ein Faktor, weshalb der Hype um Pflege­roboter – korrekt: pflegeunterstützende Roboter – derzeit noch in keinem ­realen Verhältnis zu ihrer Verbreitung steht. In den Kliniken der ­Region ­Hannover, von Diakovere und im Vinzenzkrankenhaus ist kein ­Gerät im Einsatz, in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ­wartet ein einziges Exemplar auf seinen Praxiseinsatz.

Breite Förderlandschaft

Dennoch: Die Robotik macht ihren Weg und die Region ­Hannover will darauf vorbereitet sein. Sie hat schon vor knapp zehn Jahren mit der Entwicklung diverser Bildungsangebote reagiert, die ­inzwischen unter der Dachmarke „Robotics City Hannover“ ge­bündelt wurden. Damit will man den notwendigen Nachwuchs an Fachkräften sichern und die Potenziale der Robotik in den mittel­ständischen ­Unternehmen der Region bekannt machen (siehe „Die ganze Vielfalt der Robotik“).

Dabei erweist sich insbesondere die universitäre Forschung für die Entwicklung der Roboter-Region Hannover von Bedeutung: Ohne Einrichtungen wie des Instituts für Mechatronische Systeme (imes) der Leibniz Universität Hannover gäbe es heute wohl weder die ­Roboterfabrik noch die Robokind-Stiftung (siehe unten), noch ­wären in der Region mit FORWARDttc und Yuanda Robotics die ersten genuinen Robotik-Unternehmen entstanden, wie das Gespräch mit Robotik-­Experte Jens Kotlarski zeigt. Auch OtoJig, das den roboter­unterstützten Einsatz von Cochlea-Implantaten in die Praxis bringen will, wäre ohne das akademische Umfeld von LUH, MHH und Deutschem ­Hörzentrum undenkbar.

Titelbild: Robokind Stiftung